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…is what my hard disc recorder is telling me I have recorded during my first week in Cairo… sorry for English speakers, it is too much to translate

Zwei, drei Gedanken zur Halbzeit vom vergangenen Samstag, als ich “erst” 1o Stunden Audio-Material gesammelt hatte – mit Verspätung hier veröffentlicht.

Letzten Freitag bin ich über Umwege im Merit Verlag gelandet, dem “Mekka der Intellektuellen”, wo ich um so herzlicher aufgenommen wurde, als ich zwei Autoren des Verlags aus Berlin kenne. Auch in einer Stadt wie Kairo schließen sich Kreise. Andauernd.

links das ausgebrannte Gebäude der Mubarak-Partei NDP, rechts das ägyptische Museum, in dem Festgenommene gefoltert wurden / burnt NDP party building on the left, egyptian museum on the right (tortures took place there after arrests)

Zuerst habe ich in den überschaubaren Verlagsräumen eine große deutsche Gruppe vorgefunden – empört verneinten sie meine Frage, ob sie von der LINKEN seien –  es war eine taz-Leserreise, die Karim El-Gawhary begleitete. Die Gruppe war gerade im Gehen begriffen. Ich blieb also mit meinem Interviewpartner, dem knapp 60jährigen eigensinnigen Aktivisten Abel Nada, auf den alten Sofas sitzen, trank Bier, aß Falafel von gegenüber – und wünschte, ich könnte schon mehr Arabisch verstehen: ein junger Schauspieler improvisierte offenbar sehr unterhaltsam und lustig die aktuellen politischen Debatten.

Es gibt aktuell einen Artikel über den Verlag im online-Zeitung Qantara – Dialog mit der islamischen Welt, der beschreibt, wie die Wohnung unmittelbar am Tahrir Platz, in der der Verlag beheimatet ist, während der 18 Tage im Januar und Februar zu einem Zufluchtsort für Protestierende wurde. A propos Dialog mit der islamischen Welt: meiner Meinung nach können “wir” hier viel lernen.

Eines der Themen, über die ich in Kairo anhaltend nachdenke, ist Angst. Meinem Erleben nach herrscht in Europa, und sicherlich in Deutschland, viel Angst – vor Statusverlust, vor relativer Armut, Arbeitslosigkeit, vor Fremdem. Als Beispiel sei aktuell die Diskussion über die Aufnahme von Flüchtlingen, die in Lampedusa und anderswo von lebensgefährlichen Überfahrten auf dem Mittelmeer ankommen, genannt.

Schmuckflechten für Palmsonntag / Preparing for Palm Sunday

Mich hat unter anderem beeindruckt, wie die Angst in der ägyptischen Revolution überwunden wurde, als die Proteste am 25. Januar begonnen, die ständige Angst, die viele hier geprägt hat.

Allerdings haben Aktivisten in Ägypten noch immer konkreten Anlass für Angst: die Tatsache, dass viele von ihnen aktuell mit Verhandlungen im Schnellverfahren vor dem Militärgericht konfrontiert sind (während die Mubaraks vor ein Zivilgericht gestellt werden), das brutale Vorgehen des Militärs in der Nacht vom vorletzten Donnerstag, sowie die darauf folgenden Festnahmen, Folter, und insbesondere die Verurteilung des Bloggers Maikel Nabil zu drei Jahren Gefängnis, skizzieren die aktuelle Situation.

Elham Eidarous berichtete mir am Wochenende, dass iranische Bekannte von ihr, die im Ausland leben, sehr zurückhaltend damit sind, die ägyptische Revolution zu kommentieren – sie haben die eigene Geschichte im Kopf und befürchten, es könne ein ähnliches fundamentalistisches Regime wie im Iran entstehen. Mit ähnlichen Folgen für kritische Personen.

Mir zeigt “Ägypten”, dass die Geschichte weitergeht. Die Rede vom “Ende der Geschichte“, sowie die Implikationen des ausgerufenen “Clash of Civilization“, sind für mich auch praktisch widerlegt. Es passte einfach zu gut ins Weltbild vieler, nach dem Mauerfall und dem Ende des kalten Kriegs zunächst das Ende der Geschichte auszurufen, und dann den Clash of Civilization mit seiner neuen Konstruktion eines wesentlich “Anderen” – aus eurozentrischer Sicht.

Das sind Gedanken aus Kairo im Übermüdungszustand.

About reisendesmikro / travelling mic

Unterwegs im Selbst-Auftrag. On the road - self-commissioned.
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